Leuchtende Nachtwolken - NLC - Mesosphäre - Noctilucent Clouds - Zirren - Zirrus - Cirrus - Verwechslung - Unterscheidung

Leuchtende Nachtwolken

Impressum     Email-Kontakt     Datenschutz
© Leuchtende-Nachtwolken.info 2009 - 2023
Vorhergehende Seite Hauptseite Leuchtende Nachtwolken Nächste Seite

Leuchtende Nachtwolken und täuschende Zirren

Die Verwechslungsgefahr von Cirrus und Cirrostratus mit Leuchtenden Nachtwolken ist in jeder NLC-Saison ein Thema - nicht ohne Grund. So gab es 2013 mindestens einen größeren Verwechslungsfall, ebenso in der Saison 2012. Doch schon 1968 wurde durch eine akribische Analyse eine NLC-Fehlmeldung in der Zeitschrift "Die Sterne" aufgedeckt.* Nebenbei sei erwähnt, dass auch bereits – vom Autor dieser Zeilen – NLCs für Zirren gehalten wurden, was sich dann aber im AKM-Forum rasch klärte. Es erscheint daher sinnvoll, sich einmal etwas eingehender mit dem Thema zu beschäftigen, obwohl Olaf Squarra dazu bereits vor vielen Jahren eine ausgiebige Abhandlung geschrieben hat.

* Heuseler, Holger (1968): Das Phänomen der Leuchtenden Nachtwolken sowie meteorologische Studien zur Realität der NLC vom 3. Juni 1967. Die Sterne 44, 158 - 170.

Die Hauptursache für Verwechslungen liegt wohl darin, dass sowohl NLCs als auch Zirren aus Wassereis-Kristallen bestehen und (u.a. auf Grund der Wirkung atmosphärischer Wellen) sehr ähnliche Strukturen aufweisen können.

Klassische Kriterien zur Unterscheidung

- Zirren verblassen mit zunehmender Dämmerung, NLCs werden heller.
- NLCs ziehen meistens von NE nach SW (Abb. 1).
- Die Sichtbarkeit von NLCs hängt strikt von ihrer Elevation und der Sonnendepression zum Beobachtungszeitpunkt ab. NLCs im Erdschatten sind – anders als Zirren – nicht sichtbar (Abb. 2).
Zugrichtung und Zuggeschwindigkeit von NLCs
Abb. 1 aus Fogle, B. & Haurwitz, B. (1966): Noctilucent Clouds. Space Science Reviews 6 (3), 279 – 340.
Sichtbarkeit von NLCs
Abb. 2 aus Fogle, B. & Haurwitz, B. (1966): Noctilucent Clouds. Space Science Reviews 6 (3), 279 – 340.

Probleme bei der Unterscheidung

- Kontrasteffekte zwischen Zirren und hellem Himmelshintergrund im Dämmerungsbogen können NLCs vortäuschen.
- Mondbeschienene Zirren nehmen bisweilen eine weißlich-silbrige Färbung an.
- Zirren können ebenso nach Westen ziehen wie NLCs (in seltenen Fällen) nach Osten.
- Unterschiedliche Zugrichtung von Zirren und tieferen Wolken bzw. Zirren in verschiedenen Höhenschichten der Troposphäre können NLCs vortäuschen.

Zusätzliche Kriterien zur Unterscheidung

- Zugrichtung verdächtiger Wolken im Vergleich zu tieferen Wolken (s. Video unten und auch Beispiel-Zeitraffer von Wolfgang Hamburg als mp4 zum Download, 13 mb)
- Die Färbung von Zirren ist – auch im Mondlicht – niemals so "elektrisierend" bläulich wie die von NLCs.
- Wurden anderswo eindeutige NLCs beobachtet, die sich in Form/Struktur/Höhe über dem Horizont an eigene Beobachtungen anschließen lassen?
In der Nacht 19./20.06.2016 traten über Bonn Zirrus-Wolken auf, welche visuell anfangs sehr nach Leuchtenden Nachtwolken aussahen und z.T. mit zunehmender Dämmerung noch stärker heraustraten, weil sie vom fast vollen Mond beschienen wurden. Ich habe deshalb abgewartet und konnte verfolgen, wie die verdächtigen Wolken allmählich höher stiegen bis in Himmelsbereiche, in denen NLCs bei der dann erreichten Sonnendepression keinesfalls sichtbar sein können. Parallel wurden Reihenaufnahmen angefertigt und daraus eine Animation erstellt (2 fps) - und diese belegt ohne den geringsten Zweifel, dass es sich ausnahmslos um Zirren gehandelt hat, denn die hellen Wolken ziehen genau in die gleiche Richtung wie die im Dämmerungsbogen sichtbaren dunklen Zirren.

Wenn alles nichts hilft

Falls nach Anwendung aller aufgeführten Kriterien keine Entscheidung getroffen werden kann, bleibt nur noch ein etwas mühseliges Verfahren. Dazu benötigt man mindestens 2 Fotos der fraglichen Wolkenstrukturen, welche an unterschiedlichen Orten (mindestens 10 km, besser mehr voneinander entfernt) aufgenommen wurden. Die Fotos werden dann so ausgewertet, wie von Richard Löwenherz detailliert beschrieben.

Fallbeispiele aus dem Sommer 2013, aufgenommen in Bonn

15.06.2013, 22:59 MESZ
Abb. 3: Hier besteht bereits auf auf den ersten Blick kein Zweifel, dass es sich um niedrige Wolken handelt. (15.06.2013, 22:59 MESZ)
29.06.2013, 23:24 MESZ
Abb. 4: Auch dieses Foto zeigt eindeutige Zirren. (29.06.2013, 23:24 MESZ)
17.07.2013, 23:04 MESZ 17.07.2013, 23:06 MESZ
Abb. 5 & 6: Hier könnte man leichte Zweifel haben, doch die Zugrichtung nach Osten spricht ebenso für Zirren wie die Tatsache, dass etwaige NLCs bei der beobachteten Horizonthöhe bereits unsichtbar im Erdschatten stehen würden. (17.07.2013, 23:04 & 23:06 MESZ)
18.06.2013, 23:40 MESZ
Abb. 7: Ein etwas schwierigerer Fall. Die Zugrichtung mit den tieferen Wolken nach Osten (visuell beobachtet) und die Tatsache, dass an diesem Abend nirgendwo in Mitteleuropa NLCs beobachtet wurden, führte zur Einstufung als Zirren. Zudem hätten NLCs in dieser Horizonthöhe bereits im Erdschatten gestanden. (18.06.2013, 23:40 MESZ)
21.07.2013, 22:33 MESZ
Abb. 8: Ebenfalls nicht so ganz einfach, insbesondere mit bloßem Auge. Genaues Betrachten des Fotos sowie Einsatz eines Fernglases zeigten jedoch, dass es sich lediglich um einen Kontrasteffekt handelt. (21.07.2013, 22:33 MESZ)
08.07.2013, 22:58 MESZ 08.07.2013, 23:00 MESZ 08.07.2013, 23:13 MESZ
Abb. 9 - 11: Eine fast perfekte Täuschung. Ein einsames weißliches Wölkchen zieht eindeutig nach Westen (oben, mitte). Eine zweite Wolke, die horizontnäher ebenfalls nach Westen zieht und die typische graue Zirrenfärbung zeigt, bringt dann die Identifizierung (unten). Hinzu kommt, dass das kleine hochstehende Wölkchen noch sichtbar war, als etwaige NLCs bereits im Erdschatten gestanden hätten. (08.07.2013, 22:58, 23:00 & 23:13 MESZ)
19.06.2013, 04:07 MESZ 19.06.2013, 04:18 MESZ 19.06.2013, 04:26 MESZ
Abb. 12 - 14: Weißliche Wolken, die zwar nach Osten ziehen, aber in der Morgendämmerung mehr und mehr verblassen (oben, mitte). Des Rätsels Lösung: Zirren, die sich allmählich auflösen. Auf dem dritten Foto (unten) sieht man dann einen Zirrenrest, der zaghaft im ersten Morgenrot aufleuchtet. (19.06.2013, 04:07, 04:18 & 04:26 MESZ)
20.06.2015, 22:37 MESZ
Abb. 15: Das sah sehr nach NLCs aus - doch die verdächtigen hellen Wolken zogen mit den dunklen einträchtig nach Osten. Daher bestand bereits nach einigen Minuten kein Zweifel mehr, dass es sich um tropsphärische Wolken handelte. (20.06.2015, 22:37 MESZ bei Eppstein im Taunus)

Vorgehen bei der Fallabklärung

- Im Zweifelsfall erst einmal alle oben erwähnten Kriterien abklopfen
- Wenn dann immer noch keine Klarheit besteht, im AKM-Forum zur Diskussion stellen
- Erst an die Beobachtungsliste melden, wenn im Forum Konsens besteht, dass eindeutig NLCs vorliegen
- Nicht jeder Fall lässt sich klären - dies sollte man dann akzeptieren

Einige im AKM-Forum diskutierte Fälle