Leuchtende Nachtwolken - NLC - Mitteleuropa - Noctilucent Clouds - Chronik - 2023 - D/A/CH

Leuchtende Nachtwolken 2023

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Leuchtende Nachtwolken in Mitteleuropa 2023

Mit 41 NLC-Nächten (Übersichtstabelle) lag 2023 wie alle Jahre seit 2017 weit über dem langjährigen Durchschnitt. Qualitativ fiel die Saison jedoch recht mau aus, mit einem Anteil heller Displays von lediglich 10%. Demgegenüber stehen 21 Nächte (51%), in denen NLCs nur fotografisch oder allenfalls schwach visuell in Erscheinung traten oder ausschließlich an automatisch laufenden (Web)cams nachgewiesen werden konnten. Mit 61 Tagen (04.06. - 03.08.2023) erreichte die Saison den langjährigen Schnitt. In das Gesamtbild passt auch, dass OSWIN nur an wenigen Abenden späte oder sehr späte Echos aus der Mesosphäre empfing. Diese konzentrierten sich genau wie die wirklich kräftigen Echos auf die Kernsaison zwischen Mitte Juni und Mitte Juli. Immerhin betrug der Anteil der Nächte, in denen NLCs südlich des 50. Breitengrades nachweisbar waren, beachtliche 37%.

Zwischen dem 10./11.06.2023 und dem 02./03.08.2023 waren die insgesamt 10 Pausen im NLC-Geschehen jeweils nur eine oder zwei Nächte lang, während davor lediglich ein einzelnes, vom Rest der Saison etwas abgesetzte Display verzeichnet wurde. Während die erste Nacht (04./05.06.2023) recht beachtliche NLCs brachte, dominierten in den folgenden Wochen bis in den Juli hinein unscheinbare bis allenfalls mittelhelle Displays, welche zudem keine sonderlich bemerkenswerten Horizonthöhen erreichten. Beginnend mit dem 05./06.07.2023 (Ausführliche Darstellung) traten schließlich doch noch mehrfach Leuchtende Nachtwolken der Helligkeitsstufe 4 in Erscheinung, namentlich am 11./12.07.2023 (Eindrucksvollstes und am meisten beobachtetes Display der Saison), am 12./13.07.2023 und am 18./19.07.2023. Der Zeitabschnitt 5. - 25. Juli brachte zudem noch einige zumindest mittelhelle Displays, bevor die letzte Saisonphase wiederum von sehr unscheinbaren NLCs geprägt wurde. Zu erwähnen sind noch die Nächte 17./18.07.2023 und 25./26.07.2023, in denen jeweils lichtschwache NLCs zusammen mit fotografischem Polarlicht auftraten.

Die meisten NLC-Nachweise (23) verbuchte in der Saison 2023 dank seines Überwachungssystems mit bis zu 4 über Nacht laufenden Cams erneut Olaf Squarra (Rostock). Andere Beobachter, welche auf immerhin auf Sichtungszahlen um die 10 kamen, arbeiteten ebenfalls zumindest teilweise mit Kamera-Unterstützung (Thorsten Gaulke, Geseke; Jørgen K, Lübecke), setzten auf hohe Mobilität (Dennis Henning, Berlin; Simon Herbst, Leipzig) oder profitierten von ihrem nördlich gelegenen Wohnsitz (Christoph Kögler, Greifswald). Insgesamt erfolgten in 41 Nächten 328 Meldungen von NLCs durch menschliche Beobachter, teils, wie vorstehend erwähnt, mit Hilfe automatisch über Nacht laufender Kameras. Die meisten Nachweise kamen aus den Nächten 11./12.07.2022 (56), 24./25.06.2023 (33) und 12./13.07.2023 (28). Während genaue Angaben zu Helligkeit, Ausdehnung und Horizonthöhe fast ausschließlich im AKM-Forum und auf NLCNET von spezialisierten Beobachtern gegeben wurden, fanden sich gleichwohl insbesondere auf Facebook zahllose beeindruckende Fotos.
Die zahlreichen öffentlichen Webcams lieferten wie jeden Sommer wertvolle Daten über die südliche Sichtbarkeitsgrenze von NLC-Displays. In 26 der 41 Nächte kam der südlichste Nachweis von Webcams im Alpenraum, im Sauerland und anderen Mittelgebirgen oder sogar auf Norderney. Darunter waren zwei Nächte, in denen Leuchtende Nachtwolken ausschließlich durch solche eigentlich nicht zu ihrer Beobachtung vorgesehenen Kameras nachgewiesen wurden. In 3 weiteren Fällen brachten die automatisch über Nacht zur gezielten NLC-Erfassung laufenden Kameras von Jørgen K. in Lübecke und von Olaf Squarra in Rostock den südlichsten Datenpunkt. Somit wurde in 70% der Nächte die Südgrenze der Sichtbarkeit durch automatische Kameras bestimmt. Betrachtet man nur die 15 Nächte, in denen NLCs südlich des 50. Breitengrades nachgewiesen wurden, so lieferten Webcams in 14 Fällen (93%) den südlichsten Datenpunkt.

Global gesehen war der NLC-Sommer 2023 qualitativ ebenfalls eher durchschnittlich. Sichtungen südlich des 45. Breitengrades hatten Seltenheitswert (3 Nächte - 30.06./01.07., 03./04.07. und 22./23.07.); südlich des 40. Breitengrads erfolgten gar keine. Mit 89 Tagen (davon 69 mit NLC-Nachweisen) fiel die weltweite Saison wesentlich länger aus als die mitteleuropäische. Lag der Saisonbeginn (03.06.2023) eine Woche später als der langjährige Mittelwert, so war das Saisonende (30.08.2023) das späteste zumindest seit 1991.

- Erstes Echo an MAARSY: 18.05.23
- Erstes Echo an OSWIN: 19.05.23
- Erstes Echo an NERC: 19.05.2023
- Erstes Echo an ESRAD: 22.05.23
- Erstes Echo an SOUSY: 23.05.23
- Erster Nachweis durch NOAA 21: 26.05.22
- Erster Nachweis am Boden: 03.06.23, 19:55 UT in Kaluga/Russland, visuell durch Anastasia Bilan

- Letztes Echo an NERC: 29.07.2023
- Letztes Echo an OSWIN: 08.08.2023
- Letztes Echo an ESRAD: 11.08.2023 (danach keine Aktualisierung des Plots)
- Letzter Nachweis durch NOAA 21: 28.08.2023
- Letzter Nachweis am Boden: 30.08.2023, 22:31 UT in Båtsfjord/Norwegen durch automatische Kamera
- Letztes Echo an SOUSY: 31.08.2023
- Letztes Echo an MAARSY: 02.09.2023

Im AKM-Forum wurde in bewährter Weise neben den obligatorischen Threads zu den einzelnen NLC-Nächten ein über die gesamte Saison aktives Thema zu den OSWIN-Echos und anderen Indikatoren der NLC-Aktivität eröffnet. Hier wurden auch internationale Meldungen und Webcam-Funde aus den in der D/A/CH-Region NLC-freien Nächten gepostet. Daneben gab es zu allen NLC-Nächten einen kurzen Rückblick mit (meist knappen) Analysen (in der Übersichtstabelle jeweils in der linken Spalte verlinkt). Ferner wurden Verwechslungen von NLCs mit troposphärischem Gewölk, (Waldbrand-)Aerosolen (mehr zum Thema Aerosole) und Kontrasteffekten diskutiert. Eine andere Diskussion beschäftigte sich mit der weltweit vielleicht ersten Sichtung von NLCs nach Sonnenaufgang (in 11 km Höhe aus einem Flugzeug). Weitere Themen waren der Ausfall des Satelliten AIM, der neue Satellit MATS, die Veröffentlichung von LIDAR-Daten des IAP sowie die Interpretation von Daten des Microwave Limb Sounders. Nicht zu vergessen ist auch der Thread zur vorangegangenen südlichen NLC-Saison 2022/23.
Zu Beginn der Saison kam unter dem Titel "Überirdisch schön" ein halbstündiger Podcast des Planetarium Bochum heraus, welcher später durch einen kurzen Beobachtungsaufruf ergänzt wurde.
Wie gewohnt dominierten auch 2023 vor allem auf Social Media-Plattformen wie Facebook oder Youtube Einzelaufnahmen und Zeitraffer von Leuchtenden Nachtwolken, wobei die Qualitätsansprüche enorm streuten (Playlist auf Youtube). Erwähnenswert sind - neben den beiden hier auf der Seite eingebetteten Beiträgen - z.B. Videos von Steve Brown (England), von Urmo Paju (Estland), von Kalle Helenius (Finnland) sowie von Sylvio Müller (Deutschland).
Aus der großen Zahl ansprechender bis beeindruckender Fotos seien Beispiele genannt aus Polen, aus den Alpen, aus einem Flugzeug über Kanada, aus Schleswig, aus dem Münsterland, von Rügen und von der Fehmarnsund-Brücke.

In welchem Ausmaß die im Sommer 2023 auf der Nordhemisphäre in großem Ausmaß anzutreffenden Aerosole aus kanadischen und sibirischen Waldbränden Beobachtungen von NLCs nicht nur be-, sondern auch verhinderten, lässt sich schwer festmachen. Das Thema wurde jedoch sowohl im AKM-Forum (Beispiel) als auch international (Beispiel) wiederholt angesprochen.

   

Leuchtende Nachtwolken in der Nacht 05./06.07.2023

2023 war eine Saison ohne große Höhepunkte. Gleichwohl war die Nacht 11./12.07.2023 dank der Kombination von recht hellen NLCs mit Gewitterwolken und Wetterleuchten für Nachtfotografen sehr reizvoll, wovon zahlreiche Fotos sowohl im AKM-Forum als auch auf Facebook zeugen. Dagegen fanden die ebenfalls hellen NLCs am Morgen des 19.07.2023 in Folge des ungünstigen Timings vergleichsweise wenige Beobachter.

Eigene Aufnahme aus Oberursel, 19.07.2023, 04:13 MESZ
Abb. 1: NLC-Display am 19.07.2023, 04:13 MESZ. Eigene Aufnahme aus Oberursel. Weitere Fotos im AKM-Forum

Von der helleren Displays der Saison 2023 am besten dokumentiert sind diejenigen der Nacht 05./06. Juli, welche auch als einzige gebietsweise bis in den Zenit reichten. Aufgrund der Radardaten war dies nicht unbedingt zu erwarten gewesen. OSWIN hatte am 05.07.2023 vom frühen Morgen bis in den späteren Vormittag hinein durchschnittlich starke Echos aus der Mesosphäre empfangen, welche sich zwischen 84 km und 81 km Höhe aufhielten. Danach tat sich nichts mehr, obwohl die Höhenwinde am Juliusruh-Radar zunächst weiter nach Süden gerichtet waren, bevor sie ab etwa 16 MESZ mit hoher Geschwindigkeit nach Norden drehten. Sofern überhaupt Leuchtende Nachtwolken auftreten würden, sollten sie mit einiger Wahrscheinlichkeit allenfalls mittelhell in Erscheinung treten. Tatsächlich verlief der Abendsektor mit seinen lichtschwachen NLCs genau wie erwartet und geradezu prototypisch für die gesamte Saison. Dann jedoch überraschte der Morgensektor mit einem weit nach Süden reichenden und zumindest an einigen Beobachtungsorten recht hell in Erscheinung tretenden Display.

"Als besonderes Kuriosum, ebenfalls so noch nie erlebt, gab es aus voller Fahrt kurz vor Erreichen von Fürstenberg/Havel (ungefähr 3:59 Uhr MESZ) wegen auflockernden Waldes und zeitweise gen Südosten schwenkender Bahntrasse nochmal für eine Minute einen Blick auf unseren Mond. "Zwei Daumen breit rechts neben Luna" das NLC-Band, welches ich wenige Minuten vorher auf dem Bahnhofsgelände Neustrelitz schon im Verdacht hatte, es könnte sich evtl. noch bis zum Mond fortsetzen." Dennis Hennig

Aus dieser Nacht liegen neben fast 30 Meldungen menschlicher Beobachter auch mehrere Webcam-Nachweise vor. Jedoch erfolgten nur von 5 Standorten detaillierte Angaben zur Ausdehnung und Horizonthöhe (s.u.). Grundlage für die nachstehende Karte der Beobachtungsorte sind die im Tagesthread des AKM-Forums direkt geposteten und dort aus anderen Quellen kompilierten Sichtungsmeldungen.

NLC-Beobachtungen in der Nacht 05./06.07.2023
Abb. 2: NLC-Beobachtungen in der Nacht 05./06.07.2023. Diese Grafik steht auch als interaktive PDF-Datei zur Verfügung.

Die weite Verteilung der Sichtungen innerhalb Deutschlands spiegelt die in weiten Landesteilen beobachterfreundlichen Bewölkungsverhältnisse wieder (s. nachstehendes Satellitenbild).

Bewölkung über Mitteleuropa am am 06.07.2023 um 02:00 Uhr MESZ
Abb. 3: Bewölkung über Mitteleuropa am 06.07.2023 um 02:00 Uhr MESZ
Quelle: ISCCP-B1 Daten nach Knapp, K. R. (2008): Scientific data stewardship of International Satellite Cloud Climatology Project B1 global geostationary observations. Journal of Applied Remote Sensing, 2, 023548 (doi:10.1117/1.3043461).

Im Abendsektor waren zwei unterschiedliche NLC-Felder unterwegs. Eines erstreckte sich gemäß Beobachtungen aus Ostwestfalen und Sachsen von der dänischen Südsee bis nach Schweden. Das andere, welches nur an automatischen Webcams (z.B. in Greifswald) nachgewiesen wurde, stand weit im Nordosten über Lettland (Abb. 4, oben rechts ganz am Rand).

Lage der Südgrenzen der am Abend des 05.07.2023 dokumentierten NLCs
Abb. 4: Lage der Südgrenzen der am Abend des 05.07.2023 dokumentierten NLCs (Beobachtungort = Landberg bei Herzogswalde).

Für den Morgensektor wurde eine Vermessung des Feldes in Oberursel um 04:15 MESZ (Abb. 5) mit Angaben von Dennis Hennig aus Fürstenberg um 03:59 MESZ verglichen. Die beiden Beobachtungen an den immerhin 450 km voneinander entfernten Standorten stimmen überein und zeigen, dass sich der Westrand des NLC-Feldes in diesem Zeitraum etwa zwischen Frankfurt (Oder) und Stuttgart erstreckte (Abb. 6).

Eigene Aufnahme aus Oberursel, 06.07.2023, 04:15 MESZ
Abb. 5: Eigene Aufnahme aus Oberursel, 06.07.2023, 04:15 MESZ. Weitere Fotos im AKM-Forum
Lage der Westgrenze des am Morgen des 06.07.20 in Fürstenberg und Oberursel beobachteten NLC-Felds
Abb. 6: Lage der Westgrenze des am Morgen des 06.07.2023 in Fürstenberg und Oberursel beobachteten NLC-Felds (Beobachtungsort = Fürstenberg/Havel).

Im fast direkten Anschluss an die NLC-Beobachtungen (letzte Nachweise gegen 04:40 MESZ) empfing OSWIN bereits um kurz nach 5 Uhr MESZ relativ rasch in die Auflösungszone absinkende Echos; weitere, welche bis auf 78 km hinunter reichten, folgten am Vormittag.